Die Andere Kampagne nach...
Worte von Subcomandante Marcos in der Landesschule für Anthropologie und Geschichte (ENAH) in Mexiko Stadt, am Freitag, 2. Juni 2006, mit Unterstützung von Durito, Elías Contreras und dem Alten Antonio
Von Subcomandante Marcos
Das Andere Mexiko
3. Juni 2006
Es gibt da diese Diskussion, darüber was Mythos ist, und was Geschichte.
Darüber weiß ich nicht sehr viel, aber ich stelle mir vor, dass diesem Thema schon ganze Bücherregale, Dissertationen, Kolloquien und Konferenzen gewidmet worden sind. Vielleicht, ich bin nicht sicher, wird das sogar in eine der Klassen hier diskutiert, oder auf einer anderen höheren Schule für sogenannte „Humanwissenschaften“
Und da wir gerade von der „Humanität“ und ihre Irrationalität sprechen, frage ich mich, ob es in den Humanwissenschaften auch Kurse in „Würde“ gibt, und wenn ja, wer diese gibt und wer die Benotung vornimmt.
Hmmm… Oder vielleicht wird dieses Fach ja kollektiv gelehrt und geprüft, an vielen Orten und nicht nur in einem Klassenzimmer.
Und ich frage mich auch, ob Würde nicht Hand in Hand mit der Entrüstung einhergeht, dieses Gefühl, das man nur schwer an einer Definition verankern kann, aber etwas mit der Wut zu tun hat die man angesichts einer Ungerechtigkeit tief im Magen spürt.
Vielleicht ist diese Fähigkeit zur Entrüstung ein Merkmal des Menschseins.
Ergo, sollten die Humanwissenschaften auch Fächer für „Würde“ und „Entrüstung“ beinhalten.
Mehr noch, man sollte gar nicht im Menschsein graduieren dürfen, ohne diese Fächer zu bestehen.
Bitte verzeihen Sie, wenn ich ein wenig, oder stark, vom Thema abgekommen bin.
Es ist nur so, dass sie mir kein Thema für die Rede vorgegeben haben, sie sagten mir nur, „komm zur ENAH (Landesschule für Anthropologie und Geschichte), weil wir da ein ein Fest veranstalten, damit Mariana Selvas und Doc und Magdalena und alle anderen Gefangenen wissen, dass sie nicht alleine sind, und das wir weiterhin für sie kämpfen werden.“
Das haben sie mir gesagt. Und ich dachte „Gehe ich dahin?“ Und ich antwortete „Ich denke ich gehe“.
Und da sie mir kein Thema vorgegeben haben, könnte ich darüber reden, was die Andee Kampagne ist, was sie definiert, zeichnet und ihr Form gibt.
Oder ich könnte zum Beispiel erklären, wieso ich in Mexiko Stadt bin, oder konkreter, hier in der ENAH, auf einem Kulturfest für die Freiheit der Gefangenen von Atenco, und nicht bei einem Treffen von Unterstützer in Chihuahua, Sonora oder Sinaloa. Oder, besser noch, in Chiapas.
Und ganz gleich was Sie denken, ich kenne mich in Mexiko Stadt nicht sehr gut aus, aber es scheint mir, als ob die ENAH ein wenig Abseits liegt von dem Ort, wo Doc und die Mariana und die Magdalena gerade sind. Also dachte ich, dass ich meine Stimme eben erheben müsste, damit sie weit trägt.
Und während ich gerade damit beschäftigt war, also über Stimmen und Entfernungen nachzugrübeln, hörte ich gerade eine Stimme von unten, zu meiner linken, die sagte:
„Genau darum geht es, seine Stimme zu erheben.“
Ich spürte ein Schauer an meinem wunderschönen Rücken hinabrieseln, und sagte zu mir, „diese kleine Stimme, diese kleine Stimme . . . „
Und dann griff ich instinktiv mit der Hand in meine linke Hosentasche, weil ich da mein Tabak aufbewahre und dachte, „Marcos, Junge, verlier jetzt bloß nicht die Nerven.“
Wo war ich? Oh, ja, es ging gerade darum, wie mir kein Thema für diese Ansprache in der ENAH vorgegeben wurde.
Und noch was, jetzt fällt mir gerade wieder ein, dass ich gerne eine Denuncia einreichen würde. Bei der Landesversammlung der Unterstützer der Anderen Kampagne am 29. Mai, wurde mir nämlich ein Zettel überreicht, auf dem stand:
„Sup: Sag, dass Du auf das ENAH Fest am 2. Juni gehst. Wenn Du hingehst, dann laden wir Dich ein. Und wenn Du nicht hingehst, dann laden wir Dich eben nicht ein.“
Ich weiß ja nicht, was Sie davon halten, aber ich denke der Verfasser dieser Nachricht würde einen ausgezeichneten Berater für jeden mexikanischen Präsidentschaftskandidaten abgeben.
Wie auch immer, die Sache ist, dass sie mir kein Thema gegeben haben, worüber ich sprechen soll, und das hat mir Sorgen gemacht, denn vielleicht erwarten Sie ja, dass ich irgend so ein Lied vorsinge, das später von Panchito Varona vertont und von jemanden wie Joaquín Sabina interpretiert wird, dem dann die Mädchen hinterherlaufen, während mir die Polizei hinterherläuft. Es gibt wirklich keine Gerechtigkeit.
Und ich bin gerade dabei eben das zu tun, also die Polizisten zu zählen, die mir hinterherlaufen (bestimmt um sich ein Autogram zu holen), als ich wieder diese kleine Stimme höre, die diesmal sagt:
„Psssst, psssst …“
Zuerst dachte ich, es sei die Stimme meines Gewissens, und da ich nie wirklich viel auf sie achte, zündete ich meine Pfeife an und sagte zu mir: „Marcos, Junge, mach dir keine Sorgen. Er ist im Urwald geblieben und hilft Oberstleutnant Moises mit der Intergalaktischen Kommission. Du bildest dir das sicher nur ein. Es ist praktisch unmöglich, dass er den ganzen Weg hierher…“
„Ich, der ewige Wahlgewinner in den Herzen aller Frauen mit gutem Geschmack, der feuchte Traum von Halle Berry, die unmögliche Liebe von Angelina Jolie, die gewisperte Beichte von… von … also, ich lasse den Raum frei, damit eine Frau, eine Einzigartige, ihren Namen und ihr Herz in meine Aufmerksamkeit eintragen kann. Ähem, ähem, hier bin ich, ich…“
„Durito!“, sage ich mit offensichtlichem Unbehagen.
„Was heißt hier Durito? Don Durito de la Lacandona! Der Terror der globalen politischen Klasse. Der Spielverderber aller neoliberalen Parties. Er, dessen erhabene Figur auf den (Anti-)Gesellschaftsseiten der Alternativen Presse für Furore sorgt! Der Gewinner aller Umfragen, die es noch nicht gab und nie geben wird! Der Grund für das Erröten, leichte Schwitzen und die rosigen Wangen von Damen aller fünf Kontinente. Der coolste Tänzer auf allen Festivals von unten und links!“
Mit diesen letzten Worten führt Durito einige Tanzschritte vor, während er die Dark-Punk-Libertaria-Ska aufgekrazte Fassung von „La Suegra“ in der Cumbia Version vor sich hinsummt, die gerade an der Spitze der Sonntags-Top Ten von Radio Insurgente steht, „Die Stimme der EZLN. Die Stimme der Stimmlosen, gesendet aus den Bergen des mexikanischen Südosten“.
Ich applaudiere diskret und frage-fordere-beschwere-mich:
„Bist du denn nicht bei Moy?“
„Ja, schon, aber ich bin gekommen um mit der Internationalen Zivilen Kommission für Menschenrechtsbeobachtung (CCIDDH) zu sprechen, die gekommen sind um die Brutalität der mexikanischen Regierung gegen San Salvador Atenco zu dokumentieren. Und da ich schon mal hier war, fragte ich mich „In welchen Schwierigkeiten hat sich dieser störrische Großnasige – dem ich die Ehre erwies ihn zu meinem Schildknappen zu ernennen – denn jetzt schon wieder gebracht?“ Und ich sagte mir, dass ich da mal selbst nach dem Rechten sehen müsste, und wie gesagt, hier bin ich…“
„Mensch, so viel Mühe wäre doch nicht nötig gewesen. Du hättest mir auch bloß eine E-Mail schicken können…“, sage ich zu Durito, während ich die kleine Tabak-Tasche verstecke.
„Nein, Du musst die Freude, die dich bei meinem Anblick durchströmt nicht verbergen. Und erzähl mir keine lange Geschichten, gib mir einfach nur ein wenig Tabak.“
Ohne auf meine Antwort zu warten schnappt sich Durito die Tasche, greift nach seiner Pfeife und einem kleinen Rucksack, und da merke ich erst, dass er ihn auf den Rücken geschnallt hat.
„Kommst du, oder gehst du?“ frage ich ihn zwischen Verzweiflung und Hoffnung.
„Ich komme,“ sagt Durito, und macht damit meinen Tabak und meine Hoffnung zunichte.
„Aber freu dich nicht zu sehr. Ich bin nur gekommen um die Lüge richtigzustellen, bei der es heißt, du hättest die schönsten Beine im ganzen mexikanischen Südosten. Es ist allseits bekannt, dass meine viel schöner sind, und außerdem habe ich mehr davon,“ sagt Durito während er die drei Paar Beine nachzeichnet, die ihm auch als Arme dienen.
„Und da wir schon von Mythen sprechen, „ sage ich schlecht gelaunt, „hast du irgendwas über diesen „Rechtsstaat“ zu sagen, der auf den Knüppeln und Schilde der mexikanischen Polizei herumreist?“
Durito setzt seinen Rucksack ab und öffnet ihn während er sagt:
„Dass nichts Gutes von jemanden zu erwarten ist, der die Legalität der Institutionen auf den Schwänzen seiner Polizisten begründet,“ sagt Durito.
„Der mexikanische Rechtsstaat ist sexistisch, machistisch, und als solches, dumm. Man kann nicht von Legalität sprechen, wenn so viele Gauner und Verbrecher frei herumlaufen (einige davon sogar als Kandidaten für die kommenden Wahlen). Gerechtigkeit ist in Mexiko eine Ware, und zwar eine kostspielige. Wer es sich leisten kann, kauft sie. Hast du noch nicht gehört, dass wenn ein Reicher das Gesetz bricht, alle „gesetzlichen“ Verfahren befolgt werden, der Prozess wird hinausgezögert, und wenn seine Schuld erwiesen wird, der Angeklagte sich oftmals aus dem Staub macht? Ist es nicht so, dass ein Armer zuallererst verhaftet wird, dann verprügelt, dann ins Gefängnis gesteckt, und dann, viel später, wird ermittelt ob er schuldig ist oder nicht?“
Durito zündet seine Pfeife ein und kramt in seinem Rucksack herum, während er weiterredet:
„Und was alles weitere anbetrifft, verlieb dich nicht in dein eigenes Geschreibsel. Ich habe hier etwas viel besseres als alles was du zustandebringst,“ und ohne weitere Einleitung überreicht er mir ein paar zerknitterte Blätter.
Ich will gerade fragen was das ist, als Durito sagt:
„Pah, du musst mir nicht danken. Ich habe es mit viel Vergnügen, Freude und übersprudelndem Enthusiasmus geschrieben. Aber jetzt muss ich weg, weil ich zum Protest vor dem Gefängnis von Santiaguito gehe.“ Und damit setzt er sich den Rucksack wieder auf und verliert sich im kalten Morgengrauen des Tales von México.
. . .
An einem anderen Morgen, in den Bergen des mexikanischen Südostens, unterhielten Elías Contreras, von der Ermittlungskommission der EZLN, und ich uns am Feuer in seine Küche. Vor einigen Jahren, als er nach Mexiko Stadt reiste um das Böse und den Bösen aufzuspüren, besuchte Elías Contreras auch die Landesschule für Anthropologie und Geschichte. Ich weiß nicht aus welchem Grund er das tat, und er hat es mir auch niemals erzählt. Vielleicht kam er um eine seiner Kontaktpersonen zu treffen, die Informationen über die komplizierten Labyrinthen des Bösen an ihn weitergaben. Oder vielleicht ging er einfach spazieren, und seine Schritte führten ihn bis zur Pyramide von Cuicuilco. Wie auch immer, betrat Elías Contreras von der Ermittlungskommission der EZLN diese Schule, blieb hier ein paar Minuten, und ging dann wieder. Vielleicht, das wissen wir nicht, mischte er sich im Garten unter Studenten, Arbeiter und Lehrer. Vielleicht lief er dabei, ohne es zu wissen, einer ENAH-Studentin namens Mariana Selvas über den Weg, die jetzt gerade unrechtmäßig im Santiaguito Gefängnis des Bundesstaates México festgehalten wird.
Elías Contreras muss auch durch das Viertel von Isidro Favela gekommen sein, und die anderen Viertel nahe der ENAH und den Einkaufszentren von Perisur, Gran Sur und Cuicuilco.
Elías Contreras erzählte mir, dass es schon ausreichte durch die Strassen von Mexiko Stadt zu laufen um zu verstehen, dass Gerechtigkeit für die von oben eine Sache ist, und für die von unten eine andere. Und damit meinte er nicht nur das stolze Grundstückkomplex von Carlos Slim nahe der Pyramide, und die bescheidenen Häuser der Bewohner der Viertel in der Nachbarschaft.
Es war eher die Haltung („das Verhaltensmuster“ wie Elías Contreras sagte) der Polizei hier und dort: der untergebene und dienstbereite Blick der Autorität, wenn sie sich auf dem Boden desjenigen befinden, der wirklich das sagen hat, und der arrogante, gierige Blick, wenn sie sich zwischen denen von unten wissen.
„Die Polizei beschützt das was oben ist, und raubt und erniedrigt was sich unten befindet,“ sagte Elías Contreras von der Ermittlungskommission der EZLN, und schwieg dann. Er überreichte mir ein einzelnes Blatt Papier aus seinem Notizblock.
Jetzt, an diesem Morgen, erinnere ich mich an etwas, das er geschrieben hat.
. . .
Und noch früher, an einem Morgen, das weiter zurückliegt im Zeit und Raum, wachte der Alte Antonio zusammen mit mir am Rande eines Maisfeldes.
Die Spuren eines Tepezcuintle (* ein genießbares Nagetier, auch Agouti Paca genannt) und der mit Torillas und Bohnen schlecht gestillte Hunger, hatte uns an diesen Ort, etwa eine Meile von seiner Hütte entfernt gebracht, auf der Suche nach etwas, um am nächsten Tag den Magen zu erfreuen.
Der Tepes ließ sich nicht blicken, aber der Alte Antonio erzählte mir auf dem Rückweg eine Geschichte über eine Welt, die von unten errichtet und später von oben beherrscht wurde.
„Nicht alle Männer und Frauen beugen das Haupt und knicken ein,“ sagte der Alte Antonio, womit er meinte „nicht alle resignieren und ordnen sich unter.“ Und dann sagte er noch etwas, dass ich in schlampiger Handschrift und gehetzt in mein Feldtagebuch niederschrieb.
Ich hoffe, da man mir für die heutige Rede in der ENAH kein Thema vorgegeben hat, werden Sie es mir gestatten diesen seltsamen aber ernsten Text vorzulesen, der versucht zusammenzufassen, was der fahrende Ritter Don Durito de la Lacandona, Elías Contreras von der Ermittlungskommission der EZLN und der Alte Antonio, unfreiwilliger Übersetzer einer Kultur in Widerstand, an diesem Morgen und an andere, schrieben und sagten. Es nennt sich …
DIE ANDEREN, DIE WIR SIND
Geschichte oder Legende verweben sich im Morgen. Es gibt sicher solche, die deren Wahrheitsgehalt hinterfragen, und versuchen das eine oder andere mit den festen Kriterien von „wahr“ und „falsch“ zu klassifizieren. Für das was ich Ihnen jetzt erzählen werde, ist weder das eine noch das andere wichtig.
Die Worte, die benennen was getan werden muss, kommen weder schnell noch überall. Sie suchen nach einem Ort um geboren zu werden und warten die richtige Zeit ab um hervorzukommen.
Es gibt einen Ort, an dem Dunkelheit und Licht sich treffen und sich für den Bruchteil eines Augenblicks berühren. Danach setzen beide ihren Weg fort, ihrem Ziel entgegen. So sind Schatten und Licht, sie verfolgen und meiden einander bis sie vergessen was sie sind und sich im anderen neu erschaffen, das Oxymoron ihres Verlangens von neuem wiedererschaffen. Dieser Ort hat auch seine eigene Zeit, und darin sind Tod und Leben aufgeschoben. Es ist Liebe, so heißt es, die hier herrscht.
Es ist am Morgen, in diesem Raum und Zeit, wo es jene gibt, die sich bereits dort befinden, und jene, die gerade angekommen sind. Man sagt, dass es der Schatten ist der wartet, lauernd, mit dem Blick der Schlaflosigkeit als Fluch hervorruft, dass das Licht seine Kleider auszieht und seine Ängste, dass der Körper erwacht und Verlangen sich rührt.
Ah, der Morgen! Hier, wo stets eine komplexe Haut wartet (also nicht steht), aus den zwei Lauheiten gebildet, welche die Kälte bedecken und die Einsamkeit wegwehen.
An dieser engen Grenze, an der es weder eine Mauer noch ein Abgrund gibt, spricht das Wort zu allen Kalendern und nimmt eine Form an, die in vielen Sprachen gesprochen wird.
Ich sage jetzt, was dieses Wort mir erzählt, in dieser Krümmung der Zeit, mit dem Nebel der Schlaflosigkeit und in der Sprache des Berges:
In jeden Mann und in jeder Frau gibt es einen Anderen und eine Andere, die verschieden sind.
Dieser Andere bleibt versteckt, als ob er bewacht würde. Erwartend wartet er. Bleibend bleibt er.
Manchmal ist er wie ein Jucken, außen nicht wahrnehmbar, innen definitiv; manchmal ist er wie ein Erdbeben, der den verdrießlichen Alltag unterbricht. Und manchmal ist es wie eine Haut, eine Liebkosung oder eine raue Bürste, welche die obere Hautschicht wütend abreibt, und die andere Haut zum Vorschein und zum rebellieren bringt, die Haut des Anderen, des Anderen, der wir sind.
Aber es ist immer ein Schmerz, der diesen Anderen, der wir sind und noch auch nicht, dazu zwingt hervorzukommen.
Dieser Andere sind wir am meisten, wenn wir der auferlegten Gefügigkeit ein „Nein“ als Herausforderung entgegenhalten.
Und wir sehen uns gegenseitig nicht.
Nicht wenn wir dieser andere, der wir sind, alleine sind.
Mitten im Wettlauf von Korruption und Verbrechen, die den Treibstoff für „rette sich wer kann“ bilden, gibt es einen, eine, einen anderen, eine andere, die sagen, „Nein“.
Da ist zum Beispiel eine junge Frau, die ihren Weg durch den Konformismus aufgibt, das zu sein was der Mann von ihr will, und ihre Ängste in eine Ecke stellt, um sich mit dem immer neuen Anzug der Rebellion zu kleiden und zu entkleiden.
Und da ist dieser Spezialist, der gegen alle Vorsicht, die ihm von oben auferlegt wird, Wohlstand und Sicherheit riskiert, um jemanden Medizin zu bringen, den er nicht kennt, bis dieser sterbend am Boden liegt, sein Schädel durchbrochen vom „Rechtsstaat“, in der Form einer Tränengasgranate „made in U.S.A.“. Dieser Andere könnte sagen, wenn er nicht hirntot wäre, „mein Name ist Alexis Benhumea, ich studiere Wirtschaft an der UNAM. Man beschuldigte und verurteilte mich des Verbrechens jung zu sein.“ Der Spezialist heißt Guillermo Selvas; man nennt ihn „Doc“, weil er ein Doktor ist, und er ist ein Gefangener, unter anderem wirft man ihm vor ein Sozialkämpfer zu sein.
Da ist eine junge Studentin, die ihn begleitet, unter anderem deshalb, weil es Lektionen gibt, die einem nicht in Klassenräume oder Bücher beigebracht werden, sondern auf den Strassen und Feldern des fernen Schmerzes, den einige „das untere Mexiko“ nennen. Ein Ordner mit ihrer Akte trägt die Aufschrift: „Mariana Selvas, ENAH Studentin. Beschuldigt, unter anderem, des Verbrechens eine junge Frau zu sein.“
Da ist eine indigene Frau, die sich entschieden hat zu sein was sie ist, aber mit Würde, die sich in den Farben kleidet, die einst Scham bereiteten, aber jetzt Freude, und sie umarmt alle, die sie nur durch den gemeinsamen Schmerz und Rebellion kennt, darauf begierig ein Kollektiv zu sein. Es sind Echos, die wiedererklingen und sagen: „Mein Name ist Magdalena, ich bin eine Mazahua Indigena. Man wirft mir vor eine indigene Frau zu sein“.
Da ist ein Mann, ein Campesino, der sich entschieden hat, die Farbe der Erde zu erheben, und mit dieser braunen Würde alle zu unterstützen, die auch für das Land kämpfen, die unser Blut bemalt. Dieser Mann wird zum Schweigen gebracht, und das Schweigen sagt, „Mein Name ist Ignacio Del Valle. Ich bin ein Campesino aus San Salvador Atenco. Ich befinde mich im Hochsicherheitsgefängnis, weil in Mexiko ein Campesino, rebellisch und solidarisch zu sein auch bedeutet, ein hochgefährlicher Gefangener zu sein.“
Und da ist eine Frau, ganz gleich ob jung, erwachsen oder alt, nur einfach eine Frau, die das Unerwünschte nicht als Ketten trägt, sondern als Flügel, und deshalb ihre Schritte mit den Schritten anderer vereint. Sie trägt all die Namen und all die Gesichter, die unten genannt und gesehen werden.
Da ist ein Fotograf, ein Reporter, dessen Kamera sich nicht regt, weil das Herz ihn bewegt und ihn auffordert, den Augenblick nicht in eine Ware zu verwandeln, die vom Unternehmen zum Verkauf gefordert wird, zu schreiben was er sieht und hört, und nicht was die Kameralinsen und Mikrophone der Macht ihm auferlegen. Denn da ist jemand, der die Linie überschreitet, um zu sehen, was man unten sieht, was zum Schweigen gebracht wird.
Und da ist ein Mann, eine Frau, ein Kind, eine alte Person, eine Jugendliche, ein Anderer, eine Andere, die der Erniedrigung Würde vorziehen, und die konsequent arbeiten.
Begrüßen Sie sie. Begrüßen Sie ihn. Dies ist die Andere Kampagne.
Dieses Land, diese Patria, trägt eine andere in sich. Ihr Schmerz blüht so stark, dass ein aufmerksames Hören schon ausreicht um ihn zu erkennen. Das Hören wird zum Wort, und die „das bin ich“, „hier bin ich“, vervielfachen sich dann.
Dieses andere Land gebärend, dieses andere Mexiko. Dies ist die Andere Kampagne.
Und heute, kämpfen für die Freiheit von Mariana Selvas, von Doc, von Magdalena, von Nacho, aller Gefangenen, dies ist die Andere Kampagne.
Aus der anderen ENAH
Subcomandante Insurgente Marcos
Mexiko, Jni 2006
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