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Narco News Issue #40

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„Hartes Durchgreifen“ oder Hexenjagd?

Die von Medien und Regierung verbreiteten Lügen und was wirklich in Atenco geschah


Von Quetzal Belmont
Der Andere Journalismus begleitet die Andere Kampagne in San Salvador Atenco

9. Mai 2006

MEXIKO-STADT UND SAN SALVADOR DE ATENCO: Am 4. Mai gegen sechs Uhr abends waren im Fernsehen Bilder einer Offensive der Bundes- und Staatspolizei gegen die Stadt San Salvador de Atenco (nur 20 Minuten von der Hauptstadt entfernt) zu sehen.

Bei diesem Polizeieinsatz sollten 11 Polizisten befreit werden, die alle am Tage zuvor bei einer Konfrontation von den Bewohnern der Stadt gefangen genommen worden waren.


Foto: D.R. 2006 Amber Howard
Es sieht so aus, als würde sich der Gouverneur des Bundesstaates Mexiko, Enrique Peña Nieto, weder um die sozio-politischen noch um die menschlichen Folgen scheren, die ein derart brutales Vorgehen gegen die Bewohner der Stadt haben könnte. Bilanz dieser Polizeioperation oder, besser gesagt, dieses „Polizeiüberfalls“: 200 Menschen verhaftet, andere verprügelt, verletzt und verschwunden; ein Toter – der 14-jährige Javier Cortés. Es wurde mittlerweile bestätigt, dass Cortés von einer Polizeikugel und nicht von einem Feuerwerkskörper getötet wurde. Mehrere Medien berichteten wiederholt, dass der Jugendliche von einem explodierenden Feuerwerkskörper an der Brust getroffen wurde, den Bewohner von Atenco abgeschossen hatten. Es war jedoch von Anfang bekannt, dass diese Version nicht stimmte. Und nun liegt Alexis Benhumea, ein 20-jähriger Wirtschaftsstudent von der unabhängigen Universität von Mexiko (UNAM), im Koma. Ein Tränengasbehälter hatte ihn an der linken Schläfe getroffen.

Die Situation erinnert an die Hexenverfolgung. Ignacio del Valle, Führer der FPDT (Frente de los Pueblos Unidos en Defensa de la Tierra = Front der Bevölkerungen für den Schutz der Umwelt), sitzt mittlerweile in einem Hochsicherheitsgefängnis. Gegen seine Tochter, América del Valle, wurde ein Haftbefehl ausgestellt. Sie hält sich versteckt. Journalisten, die für unabhängige Medien arbeiten, wurden verhaftet, ausländische Reporter des Landes verwiesen. Valentina Palma, eine chilenische Dokumentarfilmerin, wurde in ihr Heimatland zurückgeschickt, obwohl aus Ihrem Video deutlich hervorgeht, dass Sie zum Zeitpunkt ihrer Festnahme arbeitete, und die Abschiebung gemäß einer richterlichen Anordnung verschoben werden sollte. Es zeigt sich wieder einmal, dass das geschriebene Wort vor dem mexikanischen Gesetz nichts gilt.

Bei Tagesanbruch am 4. Mai gegen 04:00 Uhr waren überall in Atenco Glocken und Raketen zu hören, die die Bewohner von Atenco vor einem Polizeiübergriff bzw. „-einsatz“ warnen sollten. Ein Bewohner berichtete in einem Interview, dass die Menschen noch von der Konfrontation des vorherigen Tages erschöpft waren and „man uns zu fassen kriegte, als wir schliefen.“ (das war am Donnerstag).


Arrest in Atenco, May 4
Foto: D.R. 2006 Ratón Maicero
Ob die Bewohner schliefen oder hellwach waren – Tatsache ist, dass die Regierung deutlich Ihre Macht demonstrierte. Die Polizeistrategie bestand darin, Atenco mit 3.000 Bundespolizisten zu umzingeln, die später den Weg frei machten, damit Staats- und Kommunalpolizei ebenfalls anrücken konnten.

Am Abend zuvor waren Menschen aus verschiedenen Gesellschaftssektoren angereist, die meisten aus dem Bundesstaat Mexiko und der Umgebung. Darunter Studenten und Gewerkschaftsmitglieder, die als Beobachter agieren wollten, damit die Bewohner von Atenco kein weiteres Mal Opfer der Gewalt und Repression würden.

Doch die Beobachter wurden selbst zu Beobachteten und Opfern der Gewalt.

An dieser Stelle sollten wir einen Moment innehalten. Auf beiden Seiten wurden Menschen verletzt (Polizisten und Bewohner von Atenco). Auf beiden Seiten spielten sich dramatische Szenen sinnloser Gewalt ab. Doch es gibt einen fundamentalen Unterschied – die zahlenmäßige Ungleichheit der beiden Seiten und die Ungleichheit der verwendeten Waffen, sei es für den Angriff oder zur Verteidigung (eine Frage der Perspektive).

Nachdem die Bundespolizei den Weg für die anderen Polizeikräfte freigemacht hatte, konfrontierten diese die Bewohner von Atenco und andere dort Eingetroffene. Die Polizei setzte derartige Mengen Tränengas ein, dass die ganze Stadt in eine Wolke gehüllt war und man kaum sehen konnte. Dies gab einigen Menschen die Gelegenheit, sich zu verstecken, ohne dabei von der Polizei gesehen zu werden. Andere wiederum wurden von den Gasen überwältigt und von der Polizei verhaftet.

Am Nachmittag lief die Polizei von Haus zu Haus, schlug Fenster ein, trat Türen ein und verhaftete immer mehr Menschen.

Gleichzeitig versammelten sich Protestierer auf den Straßen in verschiedenen Teilen von Mexiko-Stadt und sperrten die in die Hauptstadt führenden Zufahrtsstraßen.

Fortsetzung folgt…

Die FPDT (Frente de los Pueblos Unidos en Defensa de la Tierra = Front der Bevölkerungen für den Schutz der Umwelt), eine von Ignacio del Valle geführte Organisation, versendete ein Kommuniqué. In diesem Kommunique wurde die zunehmende Gewalt beschrieben, mit der die Häuser in der Stadt zerstört wurden, und die steigende Anzahl der Menschen bekannt gegeben, die schwer verletzt seien, aber nicht medizinisch versorgt würden.


Photo: D.R. 2006 Amber Howard
Dies war auch bei Alexis Benhumea der Fall, der von seinem Vater und anderen Gewerkschaftsmitgliedern nach San Salvador Atenco begleitet wurde. Sie wollten als Beobachter agieren, um weitere Ausschreitungen zu verhindern.

Alexis Benhumea ist Wirtschaftstudent an der unabhängigen Universität von Mexiko (UNAM). Vor kurzem erhielt der 20-jährige einen Platz für ein zweites Studium im Fachbereich Mathematik. In den letzten acht Jahren hat er außerdem klassischen und modernen Tanz aufgeführt.

Während der Ausschreitungen wurde er von einem Tränengasbehälter an der linken Schläfe getroffen, was zu einer offenen und einer weiteren Schädelfraktur führte. Ein Paar öffnete die Tür und nahm den Verletzten bei sich auf. Dreiundzwanzig Menschen versteckten sich in diesem Haus, das aus nur zwei Räumen bestand. Man beschloss, für Alexis, seinen Vater und einen Arzt einen Raum frei zu machen. Die anderen zwanzig Menschen begaben sich also in den anderen Raum. Wegen der Gewalt und der Verfolgungsjagd auf den Straßen von Atenco gestaltete es sich schwierig, für Alexis einen Krankenwagen zu holen. Auf die Frage, warum sie nicht schon eher einen Krankenwagen gerufen hatten, meinten die Betroffenen, sie hätten keine andere Wahl gehabt. Wenn sie das Haus verlassen hätten, um Hilfe zu holen, wäre die Polizei ins Haus gekommen und hätte alle verhaftet. Sie meinten, dass sie selbst geschlagen worden wären, was Alexis’ prekäre Lage nur verschlimmert hätte, und er ohnehin nicht bewegt werden konnte.

Während sich alle im Haus versteckten, hörten sie, wie Menschen verprügelt und durch die Straßen geschleift wurden. Man hörte Schreie, klirrende Scheiben und wie gegen Türen gehämmert wurde. Und das endlose Zischen der Tränengasbehälter.

Am späten Nahmittag „entspannte“ sich die Situation ein wenig. Auf der Straße sah man nur noch Polizisten, verbrannte Reifen, zerstörte Autos und Müll. Es lag nicht nur ein eigenartiger Geruch in der Luft, es herrschte auch eine angespannte Ruhe.

Um 15:00 Uhr zog ein Großteil der Polizeikräfte ab. Die Menschen, die sich im selben aus Haus wie Alex befanden, nutzten diese Zeit, um aus ihrem Versteck herauszukommen. Alexis hatte fast elf Stunden im Haus gelegen, ohne die notwendige medizinische Versorgung zu erhalten. Man hatte ihn auf den Fußboden gelegt und seinen Kopf mit einem Tuch verbunden, um die Blutung zu bremsen. Im Laufe der Zeit hatten sich Symptome wie Erbrechen, niedriger Blutdruck, Blässe und Herzrhythmusstörungen gezeigt.

Damit Alexis ins Krankenhaus gebracht werden konnte, wurde ein Krankenwagen gebraucht. Der kam jedoch nicht. Um 17:30 Uhr wurde Alexis schließlich von einem Sammeltaxi ins nahegelegene Krankenhaus gebracht. Zu diesem Zeitpunkt lag er bereits im Koma und seine Überlebenschancen standen schlecht.

Ángel Benhumea, Vater von Alexis und Gewerkschaftsvertreter für Lehrende der unabhängigen Universität von Mexiko (UNAM), hatte am 2. Mai, als der Delegierte Null UNAM einen Besuch abstattete, eine Rede gehalten.

Aus den Ereignissen ergeben sich Fragen: Handelte es sich um vereinzelte Geschehnisse, die sich in den letzten Tagen ereigneten? Galten die Bewohner von Atenco wirklich als Minderheit? Blieb die Andere Kampagne unbeachtet? Kann man wirklich sagen, dass der Staat und die mexikanische Bundesregierung keine Repression ausgeübt haben?

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