<i>"The Name of Our Country is América" - Simon Bolivar</i> The Narco News Bulletin<br><small>Reporting on the War on Drugs and Democracy from Latin America
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Narco News Issue #40

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Der Mann, der Seine Gewänder verlor

Eine Reflektion über den Polizeiangriff in Atenco: „Eine Regierung, die das Volk nicht kennt, kann unmöglich verstehen, was seinen revolutionären Geist nährt“


Von Miles Train
Der Andere Journalismus mit der Anderen Kampagne in Mexiko

15. Mai 2006

Von hier aus, irgendwo in den Bergen, sieht es so aus, als ob seine Gewänder dabei wären sich aufzulösen. Es sind hübsche Gewänder, aus Seide, mit all den modernen Falten und Quasten, aber schlecht zusammengenäht. Bald, so denke ich, wird der Mann nackt dastehen. Ah, Mexiko, nackt und beschämt vor den Augen der Welt.

Das musste aber ja auch passieren, mit einem so schlecht genähten Gewand. Da reicht schon ein Zerren, um es aufzulösen. Das hat es dann auch, vor etwa einer Woche, am 3. Mai – San Salvador Atenco.

Der Mann, der keine Blumen mochte und seine Gewänder verlor…

16 Jahre lang während der Erntezeit, pünktlich wie ein Uhrwerk, versammelten sich die wandernden Blumenhändler aus dem Tal von Texcoco auf dem Centro Historico der Bezirkshauptstadt, um Nopales, Salat, Radieschen und ihre bunten Blumensträuße zu verkaufen. Das Vorhaben in der Innenstatt von Texcoco (ca. 20 Meilen östlich von Mexiko Stadt) ein Walmart hinzuknallen, ließ jedoch die politischen und wirtschaftlichen Interessen rund um das Centro Historico hinauf schießen. Die Ereignisse nahmen am 10. April ihren Lauf.

Aus einem Brief der dörflichen Blumenverkäufer aus dem Tal von Texcoco (die letztendlich, die lokale und staatliche Regierungen um einen Dialog ersuchten): „Wir erreichten den Marktplatz um zu arbeiten, und sahen 100 Bezirkspolizisten und mehr als 20 Rathausbeamte. Sie hinderten uns daran zu arbeiten (alte Menschen und schwangere Frauen), und da sie uns schon bei anderen Gelegenheiten verprügelt und unserer Waren beraubt haben, beschlossen wir uns zurückzuziehen.“ Eine Lösung wurde nicht erzielt.

Am Morgen des 3. Mai wurde es hässlich. Die Zahlen variieren, es ist nicht klar wie viele Blumenverkäufer am Morgen des 3. Mai aufwachten um auf den lokalen Marktplatz zu gehen und ihre Produkte zu verkaufen. Einigen Quellen zufolge waren es 40, laut anderen 60, die Regierung sagt 8. Die Blumen wurden an diesen Morgen jedoch niemals verkauft, da es wenige Stunden nach der Dämmerung zum Gewaltausbruch kam.

Es gab an diesem Morgen jedoch Anstalten zum Dialog, und es hat den Anschein – wie einem Interview der Radio UNAM mit Lionel Rivero zu entnehmen ist, einer der Anwälte der 180 Verhafteten in Almoloyita – als ob der PRD Bürgermeister von Texcoco, Nazario Gutiérrez, den Blumenhändlern die Erlaubnis erteilt hätte, sich am 3. und 10. Mai an ihrer üblichen Stelle auf dem Marktplatz zu versammeln.

Sie wurden jedoch verraten. Die staatliche Polizei untersagte den Campesinos gegen 7:00 Uhr ihre Stände aufzustellen. Alle, die ein Zeichen von Widerstand zeigten wurden brutal zusammengeschlagen. Die Einwohner des Nachbardorfes Atenco, Mitglieder der Front der Dörfer in Verteidigung des Landes (Frente de los Pueblos en Defensa de la Tierra, oder FPDT) – die in 2002 durch ihren erbitterten Widerstand gegen das Vorhaben der Regierung, auf ihrem Boden ein Flughafen zu errichten, zu einem heldenhaften Symbol der Graswurzelorganisation und Volkskampfes geworden sind – eilten den Blumenhändlern von Texcoco zu Hilfe, und errichteten Straßenblockaden auf der Autobahn Texcoco-Lecheria, eine wichtige Hauptverkehrsader.

Die Hunde wurden losgelassen, und die Gewalt, die daraufhin entfesselt wurde, war entsetzlich.

Der Aussage dreier Polizisten zufolge (die unter Zusicherung der Anonymität vom Menschenrechtszentrum (PRODH), dokumentiert, und in der La Jornada vom 11. Mai 2006 veröffentlicht worden ist), waren an dem Angriff gegen die Einwohner von Atenco mehr als 3.500 Elemente der staatlichen Polizei, sowie 900 Elemente der Präventiven Bundespolizei beteiligt. „Wir hatten den Befehl auf alles einzuschlagen was sich bewegte, aber darauf zu achten, dass die Presse das nicht mitkriegte,“ enthüllt die Zeugenaussage.



Photos: D.R. 2006 Ratón Maicero
Die Befehle wurden mit äußerster Gründlichkeit ausgeführt (bis auf die Sache mit der Presse). Bilder, die von den alternativen Medien vor Ort, sowie einige Filmaufnahmen der Massenmedien (die später unterdrückt, und infolgedessen nie wieder gesendet wurden), zeigen Scharren staatlicher Polizisten in Sturmpanzerung, die rückhaltlos auf bewusstlose alte Männer einschlagen, verschreckte Frauen mit blutigen Gesichtern, die weggezerrt werden, dürre Teenager mit tiefen Platzwunden am nackten Oberkörper, ein junges Mädchen, das kopfüber wie ein Tier auf die Ladefläche eines Polizeilastwagens geworfen wird, ein Polizist der seinen Fuß zwischen ihre Schenkel stößt, und schließlich, der leblose Körper eins 14-jährigen Jungen – mit einer Kugel in der Brust.

Der Mann, der log, und seine Gewänder verlor…

Regierungen lügen, um ihre Interessen zu schützen; und man kann mit einiger Sicherheit davon ausgehen, dass der Tod von Javier Cortés Santiago, 14 Jahre alt, nicht im Interesse der Regierung lag. Die offizielle Version, die am 3., 4. und am Morgen des 5. Mai, in den Massenmedien die Runde machte (aber von den alternativen Medien vor Ort in Atenco umgehend zurückgewiesen wurde), lautete, dass Javier durch einen explodierenden Feuerwerkskörper ums Leben gekommen war. Die allgemeine Anregung oder unterschwellige Andeutung (wenn man so will) dabei war, dass der junge Javier von den rücksichtslosen Einwohnern von Atenco getötet worden sei.

Nachdem die Ergebnisse der Autopsie eingereicht wurden, gaben jedoch der mexikanische Generalstaatsanwalt, Abel Villicaña, und Gouverneur Enrique Peña Nieto öffentlich zu, dass der Tod des Jugendlichen, durch eine tödliche Schusswunde, Kaliber 38 verursacht worden war. Trotz der Tatsache, dass Kaliber 38 die übliche Waffe der staatlichen Polizei ist, die an dem Einsatz beteiligt war, wies Wilfrido Robledo Madrid, Polizeipräsident der Staatlichen Sicherheitskräfte, die Vorstellung, dass seine Jungs Javier getötet haben könnten, weit von sich, und sagte, dass „keiner, der am Einsatz beteiligten Beamten, bewaffnet war.“

Der Aussage zufolge, die vom Menschenrechtszentrum Miguel Agustin dokumentiert wurde, waren Robledo Madrids Jungs bei diesem Einsatz bis zu den Zähnen bewaffnet. Die Aussage enthüllt, dass die mehr als 3.500 staatliche Polizeibeamte, sowohl mit R-15 Gewehre und Flinten vom Kaliber 38 bewaffnet waren, als auch mit Revolver vom Kaliber 9 Millimeter.

In der Aussage wird erklärt: „Wenn wir an einem Einsatz teilnehmen, ist niemals genug Zeit sich zu entwaffnen. Sie sagen uns nur, wir sollen uns beeilen, also gehen wir immer bewaffnet zu den Einsätzen. Wir verstecken die Waffen in unsere Hosen und Hemden, damit die Menschen nicht merken, dass wir bewaffnet sind. Wir tragen R-15 Gewehre, Flinten, Kaliber 38 – die 38er ist die Waffe der Polizeichefs – aber auch 9 Millimeter Schusswaffen. Bei dieser Gelegenheit gab es Bewaffnete.“

Später in der Zeugenaussage fragt das Menschenrechtszentrum: „Und der Junge, der gestorben ist?“

Der Polizist antwortet: „Das war ein Einschuss aus einer speziellen 38er.“

PRODH: „Und wer verwendet diese Waffe?“

Polizist: „Wir, die Staatspolizei, und sie wurde von einem Kollegen abgefeuert.“

PRODH: „Hat er den Jungen in der Hitze des Gefechts erschossen, oder auf direkte Weise?“

Polizist: „Auf direkte Weise. Der Junge hatte entdeckt, dass der Agent sich versteckte; er rief da sei ein Agent der staatlichen Polizei, und darauf zog der Agent seine Waffe und erschoss ihn.“

Der Mann, der Frauen missbrauchte und dann seine Gewänder verlor…

Die schieren Ausmaße des Polizeieinsatzes – die kreisenden Hubschrauber, Informanten in Zivilkleidung, Kommandanten und Brigaden aus weit entfernten Gegenden des Bundesstaates von Mexiko, wie Tlalnepantla, Ecatepec, Nezahualcóyotl, Chalco, Amecameca, und die verschiedenen involvierten Polizeitruppen, wie el FAR, Saetas, Caninos und Ases, sowie die Präventive Bundespolizei – die gegen die Macheten schwingenden Bauern von Atenco, sowie gegen unbeteiligte Bewohner entfesselt wurden, lässt kein Zweifel übrig: die Befehle kamen von oben. Verantwortung ist schwer.

Genauso wie, sagen wir, George W. Bush im Abu Gharalb Skandal materiell impliziert ist, ist Vicente Fox materiell impliziert, in all den erwarteten und unerwarteten Konsequenzen des Atenco Einsatzes. Bei dem Gedanken, müssen er und seine Handlanger sich sicher vor Unbehagen winden.

Es geht nicht nur um die Ermordung des jungen Javier, oder das brutale Einschlagen der Polizisten auf bewusstlose, alte Männer. Der Kollateralschaden des Polizeiangriffs in Atenco beinhaltet auch sexuellen Missbrauch.

Am Morgen des 4. Mai, brachen die koordinierten bundesstaatlichen Polizeikräfte mit überwältigender Gewalt über Atenco ein. Wie John Gibler, von Global Exchange berichtete,
“Gegen 6:30 Uhr, wurde Atenco von mehr als 3000 Polizisten umzingelt und gestürmt, sie füllten die Strassen, knüppelten jeden nieder, der ihnen im Weg stand, und feuerten Tränengaspatronen, sowohl um zu desorientieren, als auch um zu töten. Mehrere Demonstranten wurden mit Gaspatronen aus Metal, drei Zoll hoch, und ein Zoll dick, aus nächster Nähe in den Kopf geschossen.

Auf den Strassen herrschte Chaos. Die Einwohner von Atenco leisteten Widerstand gegen den Angriff, mit allen Mitteln, die ihnen zur Verfügung standen; sie verbrannten Autoreifen, warfen Molotow-Cocktails, und schwangen Fäuste und Macheten. Nach Stunden der Polizeigewalt war der Widerstand jedoch niedergeschlagen, und San Salvador Atenco war besiegt. Bald daraufhin war es eine besetzte Stadt.

Männer, Frauen und Kinder kauerten still in ihren Häusern, versteckten sich und warteten auf ein Ende der Gewalt. Die Polizei jedoch hatte klare Befehle.

Der Aussage der Polizisten zufolge, die vom Zentrum PRODH dokumentiert wurde: „Dann kam der Befehl, er kam von der Regierung, durch die Kommandanten, in die Häuser einzudringen und die Menschen auseinander zu jagen.“

Das Menschenrechtszentrum fragte: „Hatten sie Anweisung nur die Personen festzunehmen, die mit den Anführern beteiligt gewesen waren?“

Polizisten: „Nein, alles was sich bewegte, Es wurden auch Leute verhaftet, die mit den Ereignissen nichts zu tun hatten. Einige waren auf dem Weg zur Arbeit, andere waren nur mit dem Fahrrad unterwegs, sahen nur zu, und wurden ebenfalls festgenommen. Alle, auf den Strassen und in den Häusern.“

Jugendliche, Frauen, Macheten schwingende Campesinos, unbeteiligte Zuschauer, mexikanische Journalisten, ausländische Aktivisten und Fotografen wurden wahllos festgenommen, blutig geschlagen, wie Tiere in Polizeilastwagen geworfen, und auf einer ungewöhnlich langen Reise in das Santiaguito Gefängnis mitgenommen.

Es gibt zahlreiche, entsetzliche Zeugenaussagen, sowohl von den Frauen von Atenco, als auch von ausländische Aktivisten und Journalisten (aus Chile, Katalonien und Deutschland), darüber was sich in der verschwitzten, finsteren Gesetzlosigkeit der Polizeilastwagen, auf dem Weg in das Santiaguito Gefängnis zugetragen hat. Schmutzige Hände griffen zwischen den Beinen der Frauen, harte Fäuste schlugen auf ihre Brüste, Säcke über ihre Köpfe gestülpt; in einigen Fällen kam es zu Penetration. Man beschimpfte sie als „Nutten“ und schlug sie, wenn sie sich bewegten. Sie wurden befummelt, misshandelt, ihre Gesichter wurden in Blutlachen gepresst; ihre Kleidung zerfetzt. Einige wurden vergewaltigt, andere begrapscht. Alle wurden missbraucht. Fast drei Stunden später, erreichten die Lastwagen das Gefängnis Santiaguito. Die Ausländer wurden deportiert; die Einwohner blieben, zitternd und ohne medizinische Behandlung, in den Zellen von Santiaguito.

Der Mann, der seinen eigenen Prinzipien nicht folgte, und seine Gewänder verlor…

Der Polizeieinsatz gegen Atenco trug eine einzige und unmissverständliche Botschaft: Dissens wird nicht toleriert; die „mano dura“ (harte Hand) des Staates, wird zur Anwendung kommen. Die Wurzel der Idee sind machiavellistisch. „Man ist besser gefürchtet, als geliebt“, erklärte Machiavelli in „Der Fürst“, unter Berufung darauf, dass es „viel sicherer ist gefürchtet zu werden, als geliebt, wenn man schon auf eins von beiden verzichten muss.“ Später in Kapitel XIX schreibt Machiavelli jedoch, „man sollte es vermeiden verabscheut und gehasst zu werden.“ Er fährt fort, „Am meisten Hass zieht man sich zu … wenn man sich am Eigentum und den Frauen seiner Untertanen vergreift.“

Tathergang:

In 2002 versuchte die Regierung die Einwohner von San Salvador Atenco gewaltsam zu räumen, um der Enteignung von mehr als 5000 Hektar Land den Weg zu öffnen, auf dem ein neuer Flughafen für Mexiko Stadt gebaut werden sollte. Den Einwohnern wurde als Entschädigung für die Enteignung ihres Landes, die absurde Summe von 6 Pesos (ca. 0,40 €) pro Quadratmeter angeboten. Sie leisteten Widerstand; sie kämpften lange und gut. Ihr Eigentum, und damit ihre gesamte Existenzgrundlage, standen auf dem Spiel.

Am 3. und 4. Mai 2006, versuchte der Polizeieinsatz, die lokalen Blumenhändler aus ihren traditionellen Stellungen auf dem Marktplatz im Stadtzentrum gewaltsam zu räumen. Wieder handelte es sich um einen Angriff gegen ihr Eigentum, und folglich, ihre Existenzgrundlage. Die Regierung wollte diesmal den Bau eines Walmart ermöglichen (in dem Fall sind alle drei dominierenden politischen Parteien materiell impliziert: der Bürgermeister von Texcoco, Nazarlo Gutiérrez (Partei der Demokratischen Revolution, oder abgekürzt PRD); der Gouverneur des Bundesstaates Mexiko, Enrique Peña Nieto (Institutionelle Revolutionäre Partei, PRI); und der mexikanische Präsident Vicente Fox, (Nationale Aktionspartei, PAN)

Peiniger von Frauen:

Es folgt ein Auszug aus der Übersetzung eines Briefes der Chilenin Valentina Palma Novoa, die seit 11 Jahren in Mexiko lebt, und eine Studentin der Nationalen Schule für Anthropologie und Geschichte ist:

“Man riss mich an den Haaren und sagte ‘Rein in den Laster, Nutte.’ Ich konnte mich kaum bewegen, aber sie wollten, dass wir uns unglaublich schnell bewegten. Sie warfen mit auf einen Haufen anderer verwundeten und blutenden Körper, und befahlen mir, meinen Kopf in eine Blutlache zu legen. Ich wollte meinen Kopf nicht in die Blutlache legen, aber ein schwarzer Polizeistiefel zwang mich dazu. Der Lastwagen sprang an und setzte sich in Bewegung. Unterwegs wurde ich von den Händen vieler Polizisten betastet. Ich konnte nur meine Augen schließen und die Zähne zusammenbeißen, in der Hoffnung, dass das Schlimmste nicht passieren würde.

Meine Hosen waren heruntergezogen als der Lastwagen anhielt, und man mir befiehl herunterzusteigen. Ich stieg unbeholfen herunter, und eine weibliche Polizistin sagte, „überlasst die Nutte mir“ und dann schlug sie mir mit beiden Händen auf die Ohren. Ich fiel hin, und zwei Polizeibeamte schleppten mich durch eine lange Reihe von Polizisten, die nach uns traten, während wir in Richtung Bus gezerrt wurden.

Im Bus fragte mich eine andere weibliche Polizistin nach meinen Namen, während zwei andere, männliche Polizisten, meine Brüste roh anfassten und mich auf den Körper eines alten Mannes warfen, dessen Gesicht nur noch eine einzige Blutkruste war. Der alte Mann schrie schmerzgepeinigt auf, als er das Gewicht meines Körpers über ihn spürte. Ich versuchte mich zu bewegen, aber ein Tritt im Rücken hielt mich davon ab. Mein eigener Schrei brachte den alten Mann dazu erneut zu schreien, und in Gottes Namen um Gnade zu bitten.

Eine Frauenstimme befahl mir, mich zum hinteren Buseingang zu bewegen. Ich tat was sie sagte, und von dort aus konnte ich die blutigen Gesichter der anderen Gefangenen sehen, und das Blut auf dem ganzen Boden. Obwohl ich selbst nicht blutete, waren meine Hände und meine Kleidung mit dem Blut der anderen Gefangenen bedeckt.

Der Mann, der seine Kinder nicht verstand und dann seine Gewänder verlor…

Eine Regierung kann nicht ein Volk regieren, dass es nicht kennt oder versteht. Das war die Lektion des zapatistischen Aufstandes von 1994, und wieder, wie das Klischee versichert, wiederholt sich die Geschichte. Die letzten Ereignisse von San Salvador Atenco, werden ein definierender Augenblick sein (ein Wendepunkt, wie die Journalisten gerne sagen) im Kampf der Bevölkerung des heutigen Mexikos. Denn letzten Endes, ist die Andere Kampagne, die in langsamer Kleinarbeit, in allen südlichen und zentralen Bundesstaaten Mexikos an Auftrieb gewinnt (trotz der chronisch fehlenden Berichterstattung durch die Massenmedien), eine Bewegung der Bewusstwerdung. Als solches, kann sie nicht anhand von Hochrechnungen oder Statistiken erfasst werden; sie ist eine schleichende Bewegung, die sich unten aufstemmt. Was auch immer in den nächsten Monaten in San Salvador Atenco passieren wird – ob die Gefangene befreit werden oder nicht, ob Marcos wie versprochen in Atenco bleibt, bis der letzte freigekommen ist oder nicht, ob es Amtsenthebungen geben wird oder nicht, ob die Regierung weiterhin darauf besteht, dass die EZLN die Waffen niederlegt – die Präsidentschaftswahlen werden wie vorgesehen stattfinden. Es wird laute, schwelgerische Inaugurationszeremonien geben; internationale Ankommen werden weiterhin unterzeichnet; Tausende Emigranten werden weiterhin über die Grenze huschen; die Preise für Kaffee, Bohnen und Getreide werden weiterhin niedrig bleiben; Landarbeiter werden weiterhin in die Städte strömen; Straflosigkeit wird regieren. Aber San Salvador Atenco wird bleiben, eingebrannt in die mexikanische Vorstellungskraft. Es wird sich in den Massenmedien verlieren, aber wird weiterhin die Revolution der Bewusstwerdung nähren, die in der Anderen Kampagne stattfindet. San Salvador Atenco wird nicht nur den Ort eines heroischen Volksprotestes symbolisieren, sondern den Ort. wo die täglichen Peitschenhiebe gegen die Würde, die das Volk durch die staatlichen Institutionen erleidet, Richtung und Form angenommen haben. Letztendlich kann eine Regierung, die das Volk nicht kennt, unmöglich verstehen, was seinen revolutionären Geist ernährt.

Der Mann wird eines Tages auf der Strasse seine Gewänder verlieren. Sie haben bereits begonnen sich aufzulösen. Er wird ein Augenblick lang nackt dastehen, und dann nie wieder… nie wieder.

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