The Narco News Bulletin |
August 15, 2018 | Issue #43 |
narconews.com - Reporting on the Drug War and Democracy from Latin America |
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Heute, am Montag den 13. November, verübten vermutliche Paramilitärs ein Massaker in der Montes Azules Urwaldregion von Chiapas, und ermordeten neun indigene Frauen und Männer und zwei Kinder.
Wie einem handschriftlichen Dokument zu entnehmen ist, das NarcoNews von den zapatistischen zivilen Gemeinden in der Region erhalten hat, lauten die Namen der Ermordeten:
Die Details des Massakers, in einer sehr isolierten Gegend, fernab von urbanen und Medienzentren, sind noch immer unklar, doch die Warnsignale der sich anbahnenden Gewalt dieser Größenordnung in dieser Region, sind den Staats- und Bundesbeamten die ganze Zeit bekannt gewesen. Insbesondere in Juli und August 2006 sind durch Menschenrechtsorganisationen Warnungen eingegangen, doch statt Schutzmaßnahmen zu ergreifen, haben die Polizei und andere Behörden seitdem die Probleme nur noch mehr verschärft.
Die Opfer lebten und arbeiteten im Ejdo Dr. Manuel Velasco Suarez II, auch bekannt als Viejo Velasco Suárez, eine Campesino Gemeinde, die 1984 durch ein Abkommen mit der mexikanischen Regierung gegründet worden ist. Sie und die ihnen vorangehenden Generationen hatten davor in anderen Teilen des Lakandonischen Urwalds gelebt, das in 1972 zum "Naturschutzgebiet" ernannt wurde. Damals wie heute hatte die offizielle Zulassung weniger mit dem Schutz von Mutter Natur zu tun, als mit ihrer Ausbeutung: die Einrichtung der Montes Azules Biosphäre diente dazu, der mexikanischen Regierung das Kontrollmonopol über die Abholzung der Edelholze und anderer natürlichen Ressourcen zu sichern. Im Rahmen des Spektakels und der Simulation angeblichen Umweltschutzes, wurden 66 Familien der indigenen Lacandon Gruppe - eine Bevölkerung, die heute nur einige hundert Mitglieder zählt, Abkömmlinge der Maya Völker der Yucatan Halbinsel, die vor Jahrhunderten nach Chiapas ausgewandert waren - zu den alleinigen Verwaltern von mehr als 600.000 Hektar Regenwald erklärt, jedoch nur unter der Bedingung, dass sie die wirtschaftlichen Rechte über das Land an die Regierung abtraten.
Seitdem lebten die Angehörige anderer indigenen Maya-Völker - in erster Linie Tzeltal und Chol -in einem Belagerungszustand durch die Regierung, deren Polizeibehörden, dem Militär, den Lacandonas und anderen Tzeltal (aus dem Dorf Nueva Palestina) und Chol (aus Frontera Corrazal) Gemeinden, die sich dem Geschäft angeschlossen, und davon profitieret haben. Die verbleibenden indigenen Gemeinden in der Region, sind seitdem ständigen Angriffen ausgesetzt gewesen. Konflikte in der Zone führten zu dem Abkommen von 1984, unter dessen Auflagen Viejo Velasco Suarez und andere gemeinschaftliche Campesino-Gemeinden gegründet wurden, die angeblich gesetzlich geschützt sein sollten: Flor de Cacao, Nuevo Tila, Ojo de Agua und San Jacinto Lacanja. Sie alle befinden sich in der gleichen Region wie die weltberühmten Maya-Tempeln und Ruinen von Yaxchilán, nahe des gigantischen Rio Usamacinta, das die mexikanische Grenze zu Guatemala bildet.
Die elf Morde des heutigen Massakers ereignen sich - wie es bei Massaker oft der Fall ist - zu einer Zeit, da die mexikanische Bundesregierung zu den schlechten alten Tagen der groß angelegten Repression zurückgekehrt ist (wie Atenco in Mai 2006, und gegenwärtig in Oaxaca). In Zeiten wie diesen, fühlen sich Paramilitärs und Polizeibehörden durch die Signale von oben ermutigt, und verschärfen ihre historischen Aggressionen gegen - besonders indigene - Gemeinden, die als hinderlich für wirtschaftliche Interessen angesehen werden.
Die Bundesregierung von Vicente Fox und seines Innenministers Carlos Abascal ("der Schlächter von Oaxaca") sind über die Zeitbombe der Gewalt, die Viejo Velasco Suarez und andere Gemeinden in der Montes Azules Region bedrohten, bereits dieses Jahr gewarnt worden.
Am 19. Juli 2006, veröffentlichte das Menschenrechtszentrum Fray Bartolomé de Las Casas eine Warnung mit dem Titel "Drohungen der Vertreibung und Zusetzungen gegen die Indigenen Völker des Lakandonischen Urwalds." Auch bekannt as das "Frayba Zentrum," ist diese ursprünglich von den katholischen Bischof Samuel Ruíz gegründete Organisation weltweit für ihre gründliche und aufrichtige Arbeit angesehen.
Die Menschenrechtsorganisation warnte Berichte erhalten zu haben, denen zufolge:
"... Am Samstag, den 14. Juli, nahm die Öffentliche Sicherheitspolizei (des Staates von Chiapas) nahe der Gemeinde von Ojo de Agua in El Progreso Stellung auf, und drohte die Familien dieser Gemeinde gewaltsam zu räumen, Familien, die ihr Recht auf Land als indigene Völker verteidigen... Wir Einwohner von San Jacinto Lacanja, Flor de Cacao und Viejo Velasco werden ebenfalls mit der Räumung bedroht."
Das Frayba Zentrum erklärte in seiner Warnung vom 19. Juli:
"Nach Einschätzung von Frayba handelt es sich hierbei um ein historisches Problem, mit einer Reihe von Irregularitäten und Fehlschritte der Behörden und Staatsbeamten, die vorherige Abkommen ignorieren, betroffene Konfliktsparteien manipulieren und dadurch Probleme verschärfen, mit gewaltsamen Räumungen drohen um die Gemeinden und Organisationen zu zwingen "sich hinzusetzen und zu verhandeln", oder die Verpflichtungen nicht verstehen, die im Rahmen der Verhandlungen mit den zerstrittenen Gemeinden eingegangen worden sind."
Das Frayba Zentrum forderte die Regierungsbehörden auf, Maßnahmen zu ergreifen um "die persönliche Sicherheit und Integrität der Familien" der vier bedrohten indigenen Gemeinden zu garantieren, das Abkommen von 1984 und andere dieser Art zu respektieren, das ihnen ihr Land zusicherte, und die internationalen Abkommen zu achten, die derartige Protektionen für indigene Völker garantieren.
Einige Wochen später begaben sich Vertreter dieser Organisation, gemeinsam mit einer Delegation des nordamerikanischen Global Exchange, sowie des NGO Maderas del Pueblo und Xi' Nich auf einer Untersuchungsmission zu den betroffenen Gemeinden. Global Exchange veröffentlichte einen detaillierten sieben Seiten langen Bericht, der die Hintergründe des Konflikts ausführlich erklärte, und interessanterweise, die Schwierigkeiten und Hindernisse darstellte, die ihren Versuchen die Gemeinden zu besuchen in den Weg gestellt worden sind.
Der Bericht zog den Schluss:
"Während die genauen Gründe für den Ausschluss dieser vier Gemeinden aus dem Landlegalisierungsprozess unklar sind, liefern geografische und politische Faktoren einen wichtigen Anhaltspunkt. Drei der Gemeinden - Flor de Cacao, San Jacinto Lacanja, Ojo de Agua el Progreso - befinden sich nach Angaben von Miguel Angel Garcias von Maderas del Puebla, auf ein Gebiet mit Edelholzbestand, das die Lacandon Gemeinde ausbeuten möchte. Sie liegen ebenfalls am Ufer des Rio Usumacinta, eine der bedeutendsten Trinkwasserquellen der Region. Der "Plan Puebla Panama", das Regierungsvorhaben für die wirtschaftliche "Modernisierung" des Landes, erwägt ebenfalls die Errichtung von Wasserkraftstaudämme auf dem Rio Usumacinta. Zusätzlich dazu glauben viele Personen, die ausgesagt haben, dass die Lacandon Gemeinde und Comuneros das Land für sich selbst wollen, um sie für den Fremdenverkehr auszubauen, da die archäologische Anlage von Yaxchilan sich in der Nähe befindet, und die Lacandon Gemeinde sich sehr intensiv am Tourismusgeschäft beteiligt. Die vierte Gemeinde, Viejo Velasco, wird von der mexikanischen Regierung auch aufgrund ihrer Zugehörigkeit zur EZLN, als Hindernis für die Maximierung der Profite angesehen. Tatsächlich wurde kurz nach unser Besuch in El Desempeño, die Gemeinde Chol de Tumbala, gewaltsam von Regierungsbeamten geräumt, eine Gemeinde zapatistischer Unterstützungsbasen, die sich ebenfalls im Prozess der Legalisierung ihrer Landansprüche befand. Staatsbeamte der Bundes- Staats- und Lokalregierungen sollten sofortige Schritte einleiten, um die Integrität und Sicherheit von Ojo de Agua El Progreso, Flor de Cacao, San Jacinto Lacanja, und Viejo Velasco zu garantieren. Diese Gemeinden haben sowohl unter den Auflagen des Abkommens von 1984, als auch durch die Abkommen, die bei den Verhandlungsrunden von Limonar erzielt worden sind, Anspruch auf Landschutz. Die Lokal-, Staats- und Bundesregierungen sollen sofortige Maßnahmen ergreifen, um die angedrohten illegalen Räumungen aufzuhalten, und die Familien, die von ihrem Land vertrieben wurden, zurückzuführen, falls sie es wünschen sollten. Dies ist das Mindeste, das Anstand und Gerechtigkeit fordern."
Die internationale Menschenrechtsorganisation sendete ihr Bericht an den mexikanischen Präsidenten Vicente Fox, seinen Innenminister Carlos Abascal, den Gouverneuren von Chiapas, Pablo Salazar Mendiguchia, und an verschiedene Bürokraten unter ihnen.
Anstatt Maßnahmen zu ergreifen um das Unrecht zu berichtigen, setzten die Staats- und Bundesregierungen die Ereignisse in Gang - und gaben Signale, die von den Gegnern dieser Gemeinde, die sie mit Gewalt bedroht hatten, als Zusicherung der Straflosigkeit aufgefasst wurden - die zum heutigen Massaker an 11 indigene Zivilisten geführt haben.
Einer handschriftlichen Chronologie der bisherigen Ereignisse zufolge, die Narco News heute erhalten hat, und von Angehörigen der betroffenen Gemeinden verfasst worden ist, haben sich nach der Informierung der Fox und Salazar Regierungen, die Aggressionen gegen sie noch verschärft:
In einem weiteren handschriftlichen Dokument an Narco News, das auf Samstag, den 11. November datiert wurde, erklären Gemeindemitglieder, dass die Comuneros von Nueva Palestina ihre Wasserversorgung abgedreht hatten, was die Gemeinde von Viejo Velasco Suarez zwang das Wasser wieder anzudrehen, und 11 Comuneros auszuweisen, die in ihre Gemeinde eingefallen waren. Das Dokument enthielt die Namen und Unterschriften der 11 vertriebenen Männer.
Es heißt weiter:
"Wir ersuchen die Einwohner von Nueva Palestina und die Staats- und Bundesregierungen, dieses Abkommen zu respektieren und die Gewalt von beiden Seiten in unsere Gemeinde einzustellen. Wir machen die Regierung für alle weiteren Vorfälle verantwortlich...""Am Mittwoch, den 1. November 2006, begannen die Einwohner von Nueva Palestina die Wasserleitung bis heute, Samstag, den 11. November dieses Jahres, abzustellen. Aufgrund dessen ergreift die ansässige Gruppe dieser Gemeinde folgende Maßnahme ... wir trennen uns vollständig von den Gruppen aus Nueva Palestina, und wollen nicht, dass sie uns in der Gemeinde von Viejo Velasco weiterhin belästigen. Jeder von ihnen unterzeichnet sein Einverständnis wegzugehen und nicht wiederzukehren, um keine weiteren Probleme mit den ansässigen Einwohnern zu verursachen."
Einer Email zufolge, die wir gerade von den Familien den Toten erhalten haben:
"Die Angreifer waren Anwohner der Gemeinde von Nueva Palestina, und wie im Fall der traurigen Ereignisse des Acteal Massakers (vom 22. Dezember 1997, ebenfalls in Chiapas), bestätigen die Familien der Opfer, dass sie nun von mehreren Straßensperren der Polizei umgeben sind."
Einem Kommunique zufolge, das heute Nacht von Maderas del Pueblo veröffentlicht wurde, kamen die Angreifer aus Nueva Palestina, und erschienen im Morgengrauen: "vier Subcomuneros der Angreifergruppe, die schwer bewaffnet in die Gemeinde kamen, mit der Absicht die dort ansässigen Familien gewaltsam zu vertreiben."
Heute, zwei Tage später, sind sechs Frauen, drei Männer und zwei Kinder dieser betroffenen Gemeinde tot. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt sind verschiedene Menschenrechtsorganisationen und die Junta der Guten Regierung der zivilen Unterstützungsbasen der Zapatistischen Armee der Nationalen Befreiung (EZLN) in Roberto Barrios, sowie Mitarbeiter des Anderen Journalismus mit der Anderen Kampagne dabei, die Details eines weiteren angekündigten Massakers zu untersuchen.